Akademie der Polizei Hamburg

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Ausbildung an der Akademie - Polizistin / Polizist vom ersten Tag an…

Immer wieder kommt es vor, dass Nachwuchskräfte der Akademie die Bewältigung schwieriger Einsätze oder die Tataufklärung entscheidend unterstützen.

 

Berufspraktische Aus- und Fortbildung
© Polizei Hamburg

Ereignisbericht über eine Widerstand leistende Person nach Drogenkonsum

Dieser erste Ereignisbericht spiegelt genau das wider, was mich an dem Beruf Polizeibeamtin so begeistert und weshalb ich ihn ausüben will. Es sind die spannenden Momente, die auch eine Ungewissheit in sich tragen.

Nicht zu wissen, was mich am Einsatzort wirklich erwartet. Die mentale Vorbereitung auf der Anfahrt - z. B. auf eine mögliche Eskalation. Wie verhalte ich mich dann? Wo stehe ich? Was sind meine Aufgaben? All das ist mir auch bei folgendem Einsatz durch den Kopf gegangen.

An einem meiner ersten Tage im Praktikum am PK 33 befuhren wir im Rahmen der Streife den Braamkamp. Am späten Vormittag erhielten wir als Besatzung des FuStw Peter 33/2 dann folgenden Funkeinsatz:

„X-Straße, bei der dortigen Kita, verdächtige Person, Mann sitzt auf Zaun, Kinder haben Angst. Sonderrechte zugelassen“.

Mit Sonderrechten machten wir uns auf den Weg zur genannten Örtlichkeit. Mit eingesetzt war der FuStw Peter 33/3. Ein zufällig vorbeifahrender Kollege des 33/20 unterstützte uns ebenfalls.

Als der Funkspruch eintraf, hätte ich nicht gedacht, dass dieser Einsatz zu meinem ersten Ereignisbericht führt. Ich hatte zunächst die Vermutung, dass es sich evtl. um einen Exhibitionisten handeln könnte. Als wir vor Ort eintrafen, sah ich den Mann, der Auslöser unseres Einsatzes war. Er saß, wie bereits über Funk angekündigt, auf dem Zaun vor der Kita. Mein Anleiter sprach vor Ort zunächst mit dem Anrufer, einem Mitarbeiter der Kita. Dieser berichtete, dass der Mann zuvor einen Säbel bei sich getragen habe. Diesen habe er ihm jedoch schon ausgehändigt. Ich lief mit meiner Kollegin in Richtung des Zauns, auf dem der Mann saß. Dieser grenzte die Kita von der viel befahrenen Straße ab. Dazwischen lag lediglich ein Fuß- und ein Radweg.

Da für uns nicht ersichtlich war, ob der Mann noch bewaffnet war, bewegten wir uns in aufmerksamer Sicherungshaltung zügig auf ihn zu. Es war für mich das erste Mal, in einem Einsatz die Hand an der Waffe zu haben. Ein komisches Gefühl, welches mir aber zugleich auch Sicherheit vermittelte. Der Mann, ich schätzte ihn auf ca. 30 Jahre, sprang vom Zaun auf den Fußweg. Meine Kollegin und zwei weitere Kolleginnen des 33/3 sprachen ihn sofort zu Boden. Er folgte der Anweisung zunächst nicht, kniete sich dann aber doch auf den Fußweg. Als Erstes fiel mir sein hektisches, nervöses Verhalten auf. Er wirkte total panisch und schwitzte stark. Ich vermutete, dass er ein berauschendes Mittel zu sich genommen haben musste. Er wurde von uns vier weiblichen Polizeibeamtinnen umstellt. Sobald sich ein männlicher Kollege näherte, rief der Mann laut, er solle fernbleiben und bat uns darum, den Kollegen wegzuschicken. Wir versicherten ihm, dass sich ihm niemand nähern würde und sagten ihm, er solle ruhig bleiben. Meiner Kollegin, die die Gesprächsführung übernahm, teilte er mit, dass er zurzeit neben der Kita bei seiner Mutter wohne und am Morgen Amphetamine zu sich genommen habe. Er habe dies zwar schon einmal in der Vergangenheit getan, da habe er seinen Rausch jedoch einfach zuhause ‚ausgesessen’. Die Wirkung der jetzigen Einnahme sei auch für ihn ein bis dato unbekannter Zustand. Des Weiteren erzählte er, dass er Kampfsportler sei. Er bat uns, seine Mutter anzurufen, damit sie zum Ort des Geschehens kommt. 

Der Mann stellte immer wieder kuriose Forderungen. Beispielsweise beharrte er darauf, dass wir noch einen zusätzlichen Streifenwagen anfordern sollen. Ich erklärte ihm daraufhin, dass auch zwei Streifenwagen für den Einsatz vollkommen ausreichend seien. Ich muss gestehen, dass es wirklich nicht leicht war, ihm das zu vermitteln. Dennoch bin ich ihm gegenüber ruhig und neutral geblieben. Meines Erachtens konnte ich verbal gut auf ihn einwirken und habe in Gesprächen angemessen reagiert. Außerdem wollte er, dass jemand von der Bundespolizei kommt, da wir seiner Meinung nach nicht fähig genug und keine echten Polizisten seien.

Ich habe an dem Tag gelernt, dass man sich in so einer Situation nicht persönlich angegriffen fühlen darf.

Es kann manchmal besser sein, nicht zu sehr auf seine Aussagen einzugehen, um weitere Konflikte zu vermeiden. Zusätzlich forderte er, dass die Feuerwehr kommen soll. Dem Wunsch sind wir ebenfalls nicht nachgekommen, da deren Einsatz nicht notwendig gewesen wäre. Außerdem verlangte er, dass die vorbeifahrenden Autofahrer sehen können, dass er unbewaffnet sei. Es ging ihm sehr darum, im Mittelpunkt zu stehen.

Nach einer kurzen Besprechung zwischen meinen Kollegen wurde beschlossen, den Mann in Gewahrsam zu nehmen und ihn einem Amtsarzt vorzuführen. Da sich der Mann in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand befand, war dies unerlässlich. Eine Eigen- und Fremdgefährdung lag aufgrund seines unberechenbaren Verhaltens auf jedem Fall vor. Als die Mutter des Mannes am Einsatzort eintraf, eine Ärztin, wurde sie von uns gebeten, ihren Sohn zu beruhigen und ihn dazu zu bringen, freiwillig mit uns zum PK33 zu fahren. Selbst ihr fiel es sichtlich schwer, Zugang zu ihrem Sohn zu bekommen. Er befand sich immer noch in einem psychischen Ausnahmezustand und machte nicht den Anschein, sich zu beruhigen.

Ich hätte damit gerechnet, dass die Anwesenheit seiner Mutter die Situation etwas entschärft. Leider war dies nicht der Fall. Mir hat die Mutter leid getan, da sie ihren Sohn selbst noch nie so erlebt hatte und nicht auf ihn einwirken konnte. Das verdeutlichte mir, wie unberechenbar eine Einnahme von Drogen sein kann.

Es muss bestimmt hart sein, seinen eigenen Sohn in solch einem Zustand zu sehen. Zumal sie dies sonst in ihrem Berufsalltag nur bei fremden Personen erlebt. In der Zwischenzeit wurde mir von einem Kollegen der Säbel übergeben, den ich zum Streifenwagen brachte. Es war ein komplett schwarzer, ca. 60 cm langer Säbel mit einem Kunststoffgriff. Ich stellte mir vor, was er damit hätte anrichten können und war froh, dass es nicht dazu gekommen ist. Ich legte ihn vorsichtig in den Kofferraum, da die Rückbank für den Transport frei sein musste. Nach einiger Zeit gelang es der Mutter dann doch, ihn zu überreden, sich von einer Kollegin Handfesseln anlegen zu lassen. Mit ihm und seiner Mutter gingen wir zu unserem Streifenwagen und er setzte sich auf die Rückbank hinter den Beifahrersitz.

Als sich die Mutter vom Streifenwagen entfernte, fing der Mann plötzlich an zu schreien. Er wand sich, wie es ihm möglich war und war verbal nicht mehr zu kontrollieren.  

Der Mann musste für die Fahrt zum PK 33 von zwei Kollegen auf dem Rücksitz fixiert werden, um ihn widerstandsunfähig zu machen. Der Mann trat um sich und war völlig außer sich. Dieser Anblick war sehr neu für mich, da ich so etwas noch nie zuvor miterlebt hatte. Man hätte ihn meiner Meinung nach auch noch an den Fußgelenken mit Einweghandfesseln fixieren können. Meine Kollegin und ich setzten uns vorne in den Streifenwagen und wir fuhren mit Blaulicht und Einsatzhorn zu unserem PK. Während der Fahrt schrie der Mann ununterbrochen weiter und versuchte sich zu lösen. Die beiden Kollegen mussten sehr viel Kraft anwenden, um nicht von ihm getroffen zu werden. Glücklicherweise wurde keiner verletzt. Im Streifenwagen machte sich ein beklemmendes Gefühl in mir breit. Das war wohl den Schreien des Mannes und seinem geleisteten Widerstand geschuldet. Von unterwegs ließen wir die Sichere Garage öffnen, um ihn auf kürzestem Wege und unverzüglich in die Wache zu verbringen. Als wir eintrafen, warteten schon zwei Kollegen.

Als die hintere Tür des Streifenwagens geöffnet wurde, zog ein Kollege den Mann direkt zu Boden. Vier Kollegen waren nötig, um den immer noch tobenden Mann unter Kontrolle bringen zu können.  Ich wurde gefragt, ob ich nochmal versuchen könne, mit ihm zu sprechen, da er zu uns Frauen einen besseren Zugang gehabt hatte. Ich kniete mich auf Kopfhöhe neben den Mann. In dem Moment war mir gar nicht bewusst, dass ich meine Eigensicherheit außer Acht ließ. Ich war zu nah an ihm dran. Auch wenn es den Anschein hatte, dass die Kollegen hätten ihn fixiert hatten, darf man sich trotzdem nie sicher sein. Dies realisierte ich leider erst, als mir gesagt wurde, ich solle Abstand halten. In Zukunft werde ich auf jeden Fall verstärkt darauf achten. Ich sah, dass dem Mann viel Speichel aus dem Mund lief und sein Körper immer wieder verkrampfte.

Ein Amtsarzt bestätigte, dass der Mann im Sicheren Raum unter ständiger Aufsicht untergebracht werden durfte. Erst nach drei Stunden ließ Die Wirkung der Amphetamine langsam nach. Je mehr er sich beruhigte, desto mehr kam wieder der 'normale' Mensch zum Vorschein. Das hat mir nochmal bewusst gemacht, was Drogen bewirken und wie viel Einfluss sie auf einen haben können. Als er sich wieder im Normalzustand befand, entschuldigte er sich bei uns mehrmals für sein Verhalten.

Dennoch hat er durch seinen Substanzmissbrauch Kindern Angst gemacht und hätte Personen mit dem Säbel verletzen oder sogar töten können. Anschließend kam seine Mutter ans PK und brachte ihm frische Kleidung.

Dieser Einsatz war für uns alle kein alltäglicher und er wird mir sicher noch lange in Erinnerung bleiben.

Dennoch bin ich erstaunlicherweise sehr gut damit zurecht gekommen und habe nicht das Gefühl, dass es eine nachhaltige psychische Belastung für mich darstellt. Aus diesem Grund kann ich für mich sagen, dass mich dieses Ereignis nicht davon abgeschreckt hat, meinen Berufswunsch weiter zu verfolgen.