Hamburg Pride 2019
Im Rahmen der Pride Week referierte Prof. Eike Richter zu den rechtlichen Rahmenbedingungen von Entschädigungen für gesetzliches Unrecht.
Transsexuelle Menschen haben den Wunsch, als Angehöriger eines anderen Geschlechtes zu leben und anerkannt zu werden. Für die Anerkennung ist es besonders wichtig, dass der Staat die Änderung des Vornamens und die Zugehörigkeit zum anderen Geschlecht feststellt. Nach dem Transsexuellengesetz in seiner ursprünglichen Fassung von 1980 erfolgte eine solche Feststellung jedoch erst, wenn die Person dauernd fortpflanzungsunfähig war. Zudem musste sich die Person einem operativen Eingriff unterziehen, der ihre äußeren Geschlechtsmerkmale so verändert, dass die Person sich in ihrer Erscheinung deutlich an das angestrebte Geschlecht annähert.
Anfang 2011 erklärte das Bundesverfassungsgericht diese gesetzlichen Voraussetzungen wegen Verletzung des Grundrechts auf körperlicher Unversehrtheit für ungültig. Später bestätigte auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem ähnlich gelagerten Fall die Menschenrechtswidrigkeit solcher gesetzlicher Vorgaben. Anders als etwa im Fall der grundrechtswidrigen Verfolgung Homosexueller blieb eine Entschuldigung oder auch eine Entschädigung durch den Staat allerdings bis heute aus.
Die Frage nach der Entschädigung stand im Mittelpunkt der Veranstaltung „Nicht aus freien Stücken – Entschädigungen für Zwangssterilisierte nach dem Transsexuellen-Gesetz“ am 29.7.2019 im Rahmen der Pride Week. In der Veranstaltung entwickelte sich eine intensive Diskussion der Referierenden mit dem Publikum: Zunächst erzählten Cathrin Ramelow und Tsepo Bollwinkel von ihren Erfahrungen mit der damals entsprechend der gesetzlichen Regelung erzwungenen Operation und der unfreiwilligen Kinderlosigkeit. Als Betroffene hoben beide hervor, dass eine finanzielle Entschädigung für sie auch deshalb wichtig sei, weil so der Staat das Unrecht anerkenne, das ihnen widerfahren ist.
Wie eine solche Entschädigung aussehen kann und mit welchen politischen und rechtlichen Auseinandersetzungen sie in Schweden erreicht werden konnte, berichtete Ulrika Westerlund, Aktivistin aus Schweden. Dort galt bis 2013 eine ähnliche Gesetzeslage Die bisherigen Erfahrungen zeigten, so Ulrika Westerlund, dass neben einer finanziellen Entschädigung auch eine offizielle Entschuldigung für die Geschädigten wichtig sei, um einen Abschluss zu finden. Eine solche Entschuldigung sei auch in Schweden noch nicht erfolgt.
Eike Richter thematisierte in seinem Vortrag, welche Rahmenbedingungen für eine Entschädigung nach geltendem Recht für Menschen bestünden. Sein Vortrag leitetet vom Ergebnis her auf den Beitrag von Tessa Ganserer über. Die queerpolitische Sprecherin der Fraktion der GRÜNEN im bayerischen Landtag erzählte über politische Initiativen für eine Entschädigung und stellte Ideen für Strategien und Bündnisse vor.
Moderiert wurde die Veranstaltung von Wiebke Fuchs, Magnus-Hirschfeld-Centrum.