Holocaust Gedenktag 2018
Am 27. Januar 2018 fand der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust statt.
Der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert an alle Opfer eines beispiellosen totalitären Regimes. Selten ist die Geschichte so direkt erfahrbar wie an diesem Internationalen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. An der Akademie der Polizei Hamburg erfuhren interessierte Auszubildende und Studierende am 29. Januar 2018 vom Zeitzeugen Günter Lucks mehr über diese von vielen menschlichen Tragödien geprägte Zeit. Begrüßt und vorgestellt wurde Referent Günter Lucks durch den Leiter der Akademie Thomas Model.
Günter Lucks, Jahrgang 1928, geboren und aufgewachsen in Hammerbrook, Hamburgs „rotem Osten“, war das Kind kommunistischer Eltern. Sein Vater war Mitglied des paramilitärischen Kampfverbandes der Kommunistischen Partei, Rot-Frontkämpferbund genannt. Die Mutter war in der KPD als „rotes Lieschen“ bekannt, man verkehrte mit Parteigrößen wie Ernst Thälmann, Fiete Schulz oder Edgar André.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten trennten sich die Eltern, Günter Lucks blieb beim Vater, der eine neue Frau kennenlernte, die ausgerechnet für Hitler schwärmte. Einer von Günters Lucks Großvätern war Monarchist, der andere ein kommunistischer Schneider, ein Onkel war Sozialdemokrat. Nicht untypisch für diese Zeit: Die politische Polarisierung zerriss auch viele Familien.
Für Lucks wurde die Suche nach der Wahrheit zu einer Art Lebensmotto. In einem Interview mit der taz sagte er jüngst: „Es war ein Taumeln zwischen den Ideologien. Ich war zerrissen zwischen dem Sozialismus und dem Nationalsozialismus. Einerseits wollte ich wie meine Klassenkameraden sein. Viele trugen schon Uniformen der Hitlerjugend. Ich spielte mit Elastolin-Figuren, die wie Goebbels und andere Nazis aussahen. Mein Vater warf die Figuren wütend in den Ofen…“
Im Dezember 1944, Lucks war 16, meldete er sich freiwillig zum Volkssturm. Der taz sagte er darüber: „Freiwillig ist das falsche Wort. Ich war damals naiv und dachte, dass ich nach der militärischen Ausbildung wieder nach Hause dürfte. Wir dachten, der Krieg würde nicht mehr lang dauern.
Und ich glaubte der NS-Propaganda und wollte meinen Beitrag zur Landesverteidigung leisten. Auch wenn es seltsam klingt: Der Krieg bot mir eine Möglichkeit, von Zuhause auszubrechen. Ich hatte meinen Bruder im Feuersturm verloren. Unsere Wohnung war zerbombt und wir lebten zu fünft in einem Ruinenkeller. Im Grunde war es ein Aufstand gegen mein kommunistisches Elternhaus, aber eben auch der allgemeine Trend.“
Doch statt zum Volkssturm wurde er von der Waffen-SS eingezogen. Lucks in der taz dazu: "Nach unserer militärischen Ausbildung wurde unser gesamter Lehrgang der Waffen-SS zugeteilt. Ich hatte kein gutes Gefühl dabei, aber traute mich auch nicht, dagegen zu protestieren.“
Gegründet als soldatische NS-Elite mit einem politischen Parteiauftrag war die Waffen-SS an vielen Kriegsverbrechen beteiligt. Doch auch in den Reihen der Täter gab es gegen Kriegsende Opfer – Jugendliche wie Günter Lucks eben, die als Kanonenfutter eingezogen worden waren und an der Front verheizt werden sollten.
Wie durch ein Wunder überlebt Lucks schwer verletzt den kurzen Einsatz an der Front in Niederösterreich und gerät zu Kriegsende in russische Gefangenschaft. Wer die verräterische Blutgruppen-Tätowierung am linken Oberarm hatte, das Merkmal der Angehörigen der Waffen-SS, musste mit der grausamen Rache der Sieger rechnen. Doch Lucks, der nie ein Geheimnis daraus machte, der Waffen-SS angehört zu haben, wurde wegen seiner Jugend und wegen seiner Offenheit geschont.
Fünf Jahre lang bleibt er in russischer Gefangenschaft. Vor allem in den ersten Jahren ging es ums nackte Überleben, Schikanen, Hunger und Krankheiten gehörten zum Alltag der ausgemergelten und demoralisierten Kriegsgefangenen. Doch anders als viele seiner Kameraden sah er sich nicht als Opfer einer „Siegerjustiz“, sondern er ahnte zunächst und gewann später zunehmend die Gewissheit, dass im deutschen Namen viel größeres Unrecht vorausgegangen war und man dafür jetzt die Quittung bezahlte. Zunächst in Tschechien, später in der Sowjetunion versuchte Lucks, die jeweilige Landessprache zu lernen und sah seine Gefangenschaft auch als einmalige Chance, etwas über die Kultur der anderen Völker zu lernen.
Die wenigen Wochen als Soldat, in denen Lucks im Gefecht als Scharfschütze auch mindestens einen sowjetischen Soldaten erschossen hat, sowie die anschließende Zeit der Kriegsgefangenschaft haben ihn sehr geprägt.
Erst im hohen Alter wurde Lucks als Buchautor tätig. Bis heute sind drei Bücher im Rowohlt-Verlag erschienen, in mehreren Auflagen und in verschiedene Fremdsprachen (Niederländisch., Tschechisch) übersetzt.
Lucks ist als Zeitzeuge tätig und gestaltet zusammen mit dem Co-Autoren Harald Stutte Geschichtsunterrichtsstunden in Hamburger Gymnasien. Sein vorrangiges Anliegen ist es, anhand der eigenen Biographie jungen Menschen zu demonstrieren, zu was Krieg, Fanatismus, Gewalt und ideologische Verblendung führen können.