Ausbildung an der Akademie - Polizistin / Polizist vom ersten Tag an…
Immer wieder kommt es vor, dass Nachwuchskräfte der Akademie die Bewältigung schwieriger Einsätze oder die Tataufklärung entscheidend unterstützen.
Wie üblich stand ich auch heute um 4:00 Uhr auf, fuhr um 5:00 Uhr los, um rechtzeitig um 5:30 Uhr am WSPK (Wasserschutzpolizeikommissariat) zu sein. Bei der Einteilung der Schicht erfuhr ich, dass ich heute die „Marine Pollution"-Abteilung (MARPOL) bei ihren Kontrollen begleiten und unterstützen durfte.
Dazu sollte es allerdings nicht kommen.
Um 7:20 Uhr ging folgender Funkeinsatz am WSPK 1 ein: „Mehrere Personen auf der Fahrbahn Finkenwerder Straße, Richtung Köhlbrandbrücke, versuchen die Fahrbahn zu blockieren."
Plötzlich wurde es hektisch. Als ich zurück ins Erdgeschoss kam, waren die FuStw (Funkstreifenwagen) „Elbe 51/3" mit dem Dienstgruppenleiter und „Elbe 51/1" bereits auf dem Weg zum Einsatzort. Zusammen mit den Kollegen, welche sich auf die MARPOL-Kontrollen eingestellt hatten, besetzte ich den FuStw „Elbe 51/20". Auf dem Weg zum Einsatzort nahmen wir die Sonder- und Wegerechte in Anspruch. Im Transporter war es ruhig und wir konzentrierten uns auf die Funkmeldungen der anderen Kräfte. Wir erfuhren, dass sich Demo-Teilnehmer auf die Fahrbahn geklebt hatten. Zu dem Zeitpunkt war ich zwar etwas angespannt. Vielmehr allerdings war ich gespannt auf das, was uns erwarten würde.
Nach kurzer Fahrt erreichten auch wir den Einsatzort. Aus wie vielen Teilnehmern sich die Versammlung zusammensetzte, war zunächst unklar. Ungefähr 15 Personen hatten sich auf die Auffahrt zur Köhlbrandbrücke gesetzt. Die meisten Demonstranten hatten sich orangefarbene Warnwesten übergezogen. Auf mich wirkte die Situation chaotisch.
Wir wurden vom DGL eingewiesen: 10 der 16 Demonstranten hatten ihre Hände mit Hilfe von Sekundenkleber und/oder Bauschaum auf die Fahrbahn geklebt. Es waren Klimaaktivisten der Gruppe „Letzte Generation", die „ESSEN RETTEN, LEBEN RETTEN" skandierten. Ironischerweise wurden als Protest gegen Lebensmittelverschwendung 60 Liter Rapsöl auf der Köhlbrandbrücke verschüttet.
Jetzt kamen weitere Meldungen über Personen auf der Fahrbahn im Bereich der Köhlbrandbrücke im Gebiet des WSPK 2 sowie im Bereich Hohe-Schaar-Straße im Gebiet des WSPK 3.
Nach ein paar Minuten war meine Uniform aufgrund des Schneeregens komplett durchnässt. Der zusätzliche Wind machte die Situation auch nicht besser. Der Verkehr wurde abgeleitet. Auch die Presse erschien am Einsatzort, um das Geschehen zu filmen.
Zur Unterstützung wurden Kräfte der LBP (Landesbereitschaftspolizei) angefordert. Gegenüber den Störern wurden Platzverweise ausgesprochen. Die Demonstranten folgten den polizeilichen Anweisungen nicht und ließen sich auch nicht auf einen alternativen Veranstaltungsort in Höhe des ehemaligen Zolldurchlasses Waltershof ein.
Um 8:42 Uhr wurde die Versammlung für aufgelöst erklärt, nachdem mehrere Aufforderungen an die Versammlungsteilnehmer ergangen waren. Da sich die Demonstranten weigerten, die Fahrbahn zu verlassen, wurden die sechs nicht festgeklebten Teilnehmer von uns zum nahestehenden Transporter getragen und mit diesem zum WSPK 1 gebracht. Während des Tragens leisteten die Demonstranten keinen Widerstand, was mich etwas überraschte, da deren stures Verhalten dies zuvor nicht vermuten ließ. Wahrscheinlich wollten sich die Demonstranten ausschließlich aus Gründen der Medienwirksamkeit tragen lassen, was ihnen auch gelang. Während des Wegtragens wurde auch ich vom NDR gefilmt und später u.a. in der Sendung DAS!" ausgestrahlt. Dies war für mich im Nachhinein ein ungewöhnlicher Moment, da ich noch vor etwas mehr als 2 Jahren selbst beim NDR gearbeitet und u.a. hinter den Kameras von „DAS!" gestanden hatte.
Zudem nahm ich gemäß §163b StPO Personalien auf.
Gegen neun Uhr begannen Kräfte der technischen Hundertschaft damit, die angeklebten Hände der Demonstranten von der Fahrbahn zu lösen. Der Verkehr wurde kurzzeitig zwischen den letzten verbliebenen Angeklebten in Schrittgeschwindigkeit hindurchgeführt. Hierbei wurde ein Teilnehmer von einem PKW-Fahrer bespuckt. Ich notierte mir das Kennzeichen, um später gegen den Fahrer eine Strafanzeige zu fertigen.
Auch nach dem Lösen der letzten Störer auf unserer Seite der Brücke wurden wir allerdings noch nicht vom Einsatzort entlassen. Die technische Hundertschaft machte sich auf den Weg, um die festgeklebten Demonstranten der anderen Einsatzabschnitte zu lösen. Im FuStw „Elbe 51/1" konnten wir uns immerhin aufwärmen und trocknen.
Nach dem Einsatzende fuhren wir zurück zum WSPK. Ich vermutete fälschlicherweise, dass der restliche Tag daraus bestehen würde, Berichte zu schreiben. Gerade als ich die von mir aufgenommenen Personalien im PC (ComVor) erfassen wollte, ging um 13:53 Uhr ein weiterer Funkeinsatz bei uns ein: „Person im Wasser".
Ein Mitglied der „Letzten Generation" kündigte telefonisch an, dass er sich ins Hafenbecken
begeben werde. Seinen Standort wollte er nicht mitteilen. Da ein Suizid oder Unglücksfall nicht ausgeschlossen werden konnte, machte sich das Boot „WS 102" auf den Weg, um den Schwimmer zu suchen. Kurze Zeit später, um 14:15 Uhr, wurde er dann Höhe Parkhöft entdeckt. Der Schwimmer wurde mittels einer Leine an Land gebracht. Wir erreichten den Einsatzort, nachdem wir über eine Flutschutzwand geklettert waren. Vor Ort trafen wir auf insgesamt vier Personen sowie die drei Beamten, welche an Land gekommen waren. Den Schwimmer sowie zwei weitere Personen konnten wir der Demo am Vormittag zuordnen. Einer wies zudem auffällige Klebstoffreste an seiner linken Hand auf. Nach ihren Angaben waren die Personen jedoch zufällig vor Ort und seien spazieren gewesen. Es stellte sich heraus, dass der Schwimmer tatsächlich der Anrufer war. Die einzigen Äußerungen, die er machte, waren persönliche Zukunftsängste, ähnlich dem Tenor der Demo am Morgen. Sein von kurzer Dauer geprägter „Schwimmausflug“ erregte jedoch keine Medienpräsenz. Das eigentliche Ziel, den Schiffsverkehr zu stören, schlug ebenfalls fehl. Lediglich eine verwackelte Videoaufnahme der drei „Spaziergänger“ bezeugt das Ereignis.
Die Personalien aller vier Personen wurden aufgenommen. Zusätzlich erhielten alle vier einen Platzverweis gemäß §12a SOG. Der Neoprenanzug und die Leinen, mit denen sich der Schwimmer gesichert hatte, wurden gemäß § 14 Abs. 1 SOG sichergestellt und am WSPK1 asserviert. Der Schwimmer und die drei „Spaziergänger“ wurden mit FuStw zum Fähranleger „Bubendey-Ufer" gebracht.
Anschließend fuhren wir zurück zur Wache.
Etwa eineinhalb Stunden später, um 17:10 Uhr, wurde das WSPK 1 erneut über Funk gerufen. Mitglieder der „Letzten Generation" hatten sich erneut auf die Fahrbahn geklebt, ziemlich genau zehn Stunden nach der ersten Demo. Wir fuhren also erneut zur Kreuzung Waltershofer Damm / Köhlbrandbrücke / Finkenwerder Straße.
Im Gegensatz zum Vormittag wusste ich jetzt, was uns erwarten würde. Als wir am bekannten Einsatzort ankamen, erhielten wir den Auftrag, den Parkplatz am Zollamt ganz in der Nähe abzusuchen. Angeblich seien dort weitere Teilnehmer der Demonstration gesichtet worden. Wir sollten ein weiteres Festkleben verhindern. Dort befanden sich aber keine Personen, die wir der Demo zuordnen konnten.
Wir bekamen den Anschlussauftrag, den Verkehr vor der Autobahnauffahrt „HH-Waltershof" in Richtung Norden abzuleiten. Dabei trafen wir auch auf Kollegen der ablösenden Schicht. Wir wurden kurze Zeit später von einem Fahrzeug der Verkehrsstaffel abgelöst.
Dieses Mal wurden die Demonstranten gemäß §13(1) Nr.3 SOG in Gewahrsam genommen, weil sie schon am Vormittag einen Platzverweis für den Rest des Tages erhalten und diesen missachtet hatten.
Heute wurden wir nicht pünktlich in den Feierabend entlassen, denn die Einsatzleitung ordnete an, dass wir als Reservekräfte im Dienst bleiben sollten.