Akademie der Polizei Hamburg

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Systemische Digitalisierung

... oder wer ist verantwortlich, wenn das fahrerlose Auto einen Unfall verursacht?

 

Im Gespräch
© Polizei Hamburg

Prof. Dr. Indra Spiecker beim Hamburger Forum für Sicherheit und Recht in der digitalen Transformation.

Zum Thema „Systemische Digitalisierung“ referierte die Frankfurter Rechtsprofessorin Indra Spiecker genannt Döhmann anlässlich der zweiten Veranstaltung in der Reihe „Sicherheit, Vertrauen und Recht in der digitalen Gesellschaft“. Prof. Eike Richter, Initiator der Veranstaltungsreihe, begrüßte die ausgewiesene Expertin vor über 250 Gästen in der vollbesetzten Aula des  Polizeiausbildungszentrums.

Frau Prof. Dr. Spiecker
© Polizei Hamburg

Rechtsprofessorin Indra Spiecker aus Frankfurt gilt als Expertin für Systemische Digitalisierung.

Prof. Dr. Spiecker nahm ihr Publikum in einem brillanten Vortrag mit auf eine große Reise in die Welt der selbstfahrenden Fahrzeuge, der intelligenten Videoüberwachung durch Drohnen bis hin zur Auflösung der Mensch-Maschine-Trennung durch Robotik und künstliche Intelligenz – dabei berührte sie ethisch-moralische ebenso wie demokratietheoretische Aspekte. Die Vernetzung von allem und allen führe – so eine zentrale Ausgangsthese – vor allem dazu, „dass wir es sehr schwer haben, hier noch eine Kontrolle vorzunehmen.“

Wichtig sei auch, den Kontext zu betrachten, in dem neue Technologien genutzt würden: „Fliegt eine Drohne für die Polizei, um eine Lage einzuschätzen, fliegt sie für einen Unternehmer, um seine Produkte auszuliefern, oder fliegt sie für Terroristen, die mögliche Anschlagsziele ausspähen?“ Die innovativen Systeme müssten also kontextualisiert betrachtet und bewertet werden.

Prof. Richter
© Polizei Hamburg

Führte durch die Veranstaltung: Prof. Eike Richter.

Wie aber sieht es mit der rechtlichen Verantwortung angesichts dieser Chancen und Risiken aus, die von der technologischen Entwicklung ausgingen? Ist es noch möglich, Technik durch Recht zu begrenzen, ohne dabei den wünschenswerten technischen Fortschritt zu verhindern? Technik und Recht – so Prof. Spiecker – stünden seit jeher in einem Spannungsverhältnis zueinander. In der historischen Betrachtung werde deutlich, dass die Technik stets „vorweg galoppiert“ sei und ihre Grenzziehung durch das Recht erfahren habe, hinter dem heute ein demokratisch legitimierter Gesetzgeber stehe. Durch die mögliche Vernetzung, Kombination und Beschleunigung der Systeme wüchsen die Herausforderungen an die Kontrolle ständig. Die herkömmlichen Zuordnungen wie Handelnder, Kausalität und Verantwortlichkeit, wie sie auch dem Gefahrenabwehr- und dem Strafverfolgungsrecht zu Grunde lägen, griffen nicht ohne Weiteres, wenn es etwa beim Einsatz autonomer, selbstlernender Systeme zu Unfälle kommt. „Oder ist es damit getan, die unfallbeteiligte Drohne in der Schrottpresse zu zerstören?“

Angesichts jüngster Rechtsprechung auf europäischer Ebene konstatierte Prof. Spiecker: „Man erkennt aber, was für eine Macht Regulierung haben kann“, und plädierte für Begrenzungen des technologisch Machbaren. Da Algorithmen individuelle Entscheidungsprozesse von Menschen zunehmend ersetzten, bliebe als zentraler Lösungsansatz, „an die Algorithmen selbst heranzugehen“. Normative Standards müssten ebenso wie menschliche Entscheider integriert werden und kompetitive Systeme und Plattformen erhalten bleiben, um ausschließlich algorithmenbasierte Entscheidungsmonopole zu verhindern.

Aus den vorgetragenen Fragestellungen, Thesen und Positionen heraus entwickelte sich unter der Moderation von Prof. Richter eine intensive und lebhafte Diskussion mit dem Auditorium. Nicht zuletzt die Studierenden bereicherten die Diskussion mit ihren Beiträgen und Fragen und unterstrichen so als künftig verantwortliche Polizeibeamtinnen und -beamten, wie wichtig es für alle Teile der Gesellschaft und des Staates ist, die systemische Digitalisierung mitzugestalten und sich mit deren Chancen und den Risiken aktiv auseinanderzusetzen.

Die Veranstaltungsreihe „Sicherheit, Recht und Vertrauen in der digitalen Gesellschaft“ wird die Thematik der Digitalisierung und ihre Herausforderungen für das Recht am 27.9.2018 mit einem Vortrag von Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann-Riem, Justizsenator a.D. und Richter des Bundesverfassungsgerichts a.D. fortführen.